Die Ausstellung

Ihre Pflanzen und Gärten | Frömmigkeit und Theologie | Pflanzenproduktion | Landwirtschaft, Botanik und Gartenarchitektur | Die wissenschaftliche Botanik | Pflanzenkunde als Populärwissenschaft | Unsere Zimmerpflanzen | Das preußische Refuge und die heutige Präsenz | Exotische Horizonte – Entdeckungsreisende


Die Hugenotten – Ihre Pflanzen und Gärten

Die Geschichte der Pflanzen und Gärten ist erstaunlich stark mitgeprägt vom französischen Protestantismus und seinen internationalen Verzweigungen. Das hugenottische Milieu hat darauf einen bestimmenden Einfluss im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts, in den Ländern des hugenottischen Refuge nach 1685 und im Bereich der Forschungsreisen und der Universalgeographie des 18., 19. und 20. Jahrhunderts.

Woran liegt das?

Theologie und Frömmigkeit spielen eine Rolle, denn die Natur wird verstanden als „Theater von Gottes Herrlichkeit“ (Calvin) und der Landbau als Berufung, die Gott selbst einst Adam verlieh. Manche hoffen, das verlorene Paradies wiederzu-finden, andere setzen ein Mut machendes Vertrauen in die Fürsorge des Schöpfers. Bekannt und berühmt ist der Ausspruch des protestantischen Staatsmannes Sully (1559 – 1641): „Ackerbau und Weidewirtschaft sind die zwei Brüste, die Frankreich ernähren, sie sind die wahren Minen und Schätze Perus.“

Andere Erklärungen sind soziologisch und historisch. Der Protestantismus teilt mit dem Humanismus die Wertschätzung der Quellen und die Freude daran, im Buch der Bücher zu lernen und in den Büchern überhaupt, auch im „Buch der Natur“. Ist letzteres besonders attraktiv für Pfarrerssöhne? Wer den göttlichen Geheimnissen in jener anderen Offenbarung nachspürt, folgt der väterlichen geistlichen Berufung – und doch auf anderen Pfaden…

In ganz bestimmten ländlichen Gebieten ist der französische Protestantismus verwurzelt – wie auch in der Stadt; und so vermittelt er zwischen dem Bildungshunger der Stadt und der Bodenständigkeit des Landes.

Als Minderheit pflegt er internationale Beziehungen.

Verfolgt wird er schon im 16. Jahrhundert (Wallonisches Refuge) und regelrecht von Vernichtung bedroht im 17. und 18. Jahrhundert (Hugenottisches Refuge); durch die Flucht verbreitet sich der französischsprachige Protestantismus im ganzen westlichen und nördlichen Europa und bis nach Amerika und Südafrika. In all diesen Aufnahmeländern müssen die Flüchtlinge ihre Ernährung und ihren wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen – nicht zuletzt mit Kulturpflanzen, eigenen und fremden.

In diesem Milieu werden die Frauen gefordert und gefördert: sie bringen den Kindern biblische Geschichten bei und das Psalmensingen. Zweifellos hat sich ihr Bildungsstand ausgewirkt auf ihre anderen Tätigkeiten – auch im Garten und auf dem Feld.

Im 19. Jahrhundert entwickelt der französische Protestantismus eine außerordentlich weit gespannte missionarische Aktivität; in dieser Epoche einer französischsprachigen Universalkultur vermittelt er die Kenntnis außereuropäischer Länder und ein kosmopolitisches Bewusstsein.

„La nature est-elle protestante?“ fragt Jean Viard, einer der wichtigen zeitgenössischen Kenner des ländlichen Raums. Die Pflanzen jedenfalls und die Gärten sind tatsächlich ein bisschen französisch-protestantisch…


Frömmigkeit und Theologie

Hinführung

Pflanzen und Gärten gehören zentral zur Motivgeschichte christlichen Glaubens: der Garten Eden und andere Schilderungen paradiesischer Schöpfungsharmonie, der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens, die Lilien auf dem Felde als Spiegelung von Gottes Güte und Herrlichkeit…

„Lieben und Arbeiten“ (D. Sölle) – diese zwei Pole menschlicher Geschöpflichkeit werden unter anderem ausgedrückt mit Bildern der Pflanzenwelt. Das „Bebauen und Bewahren“ des Gartens ist die Bestimmung des Menschen, die verdeutlicht wird an der Bearbeitung des Bodens, am Ackerbau (1. Mose 2 und 3). Und die Liebenden des Hohelieds sind füreinander „Lilie unter den Dornen“ und „Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes“ und erfreuen sich an den Blumen des Frühlings und allen Pflanzendüften und ihrer Lebenslust (Hohelied 2,2f. u. ö.).

Auch Heilsgeschichte bezieht die Pflanzenwelt ein. „Pflanzet Gärten und esst ihre Frucht!“ heisst es in der Zusage an die Exilierten in Babylon, die selbst im Land der Fremde und der Verbannung die „Verwurzelung“ in Gottes Treue verheisst (Jeremia 29,5) – bis er als Erlöser kommt mit Wasserquellen und Zedern in der Wüste, durch die sein befreites Volk zieht; bei dieser „schöpferischen Erlösung“ klatschen sogar Bäume in die Hände (Jesaja 41,18f.; 55,12)!

Diese unvollständige Darstellung lässt sich um die Vision der Tempelquelle erweitern, die das Tote Meer entsalzt und üppig tragende Bäume bewässert (Hesekiel 47); im Neuen Testament wird daraus die Vision des neuen Jerusalem mit einem „Baum des Lebens, der zwölfmal Früchte trägt und seine Früchte alle Monate bringt, und die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker“ (Offenbarung 22,2). Jesus selbst gebraucht solche Bilder in der einfachen und kräftigen Sprache seiner Gleichnisse vom Reich Gottes (das Senfkorn, der Sämann, die selbstwachsende Saat, das Unkraut im Weizen…) und in der Symbolik seines letzten Mahls mit Brot und Wein (Weizen und Traubenstock).

In unserer Ausstellung haben wir von dieser reichen Überlieferung nur zwei Dinge behandelt: das Motiv von „Christus als Gärtner“ aus dem Johannesevangelium und den Psalter mit seinen zahlreichen Bezügen zu Pflanzen und Gärten.

Christus als Gärtner

Nach dem Johannesevangelium befindet sich das Grab Jesu in einem Garten. Am Ostermorgen begegnet dort Maria Magdalena dem Auferstandenen; sie hält ihn für den Gärtner (Joh. 20,15).

Ganz im Sinne etlicher „erhellender Missverständnisse“, die für das Johannesevangelium typisch sind, sah die spätere Auslegung hierin die Verkündigung von „Christus als Gärtner“: als neuer Adam ist er der Gärtner des Paradieses, der Gärtner der Kirche, der die Seelen pflegt…

In der christlichen Kunst wurde Christus als Gärtner häufig dargestellt, auch in einem zeitgenössischen Dekor mit allerlei exotischen Pflanzen. Unter den hier gezeigten Beispielen gehört Rembrandt in die reformierte (calvinistische) Tradition – wie die Hugenotten.

Pflanzen und Gärten bei Calvin und im Hugenottenpsalter

Der französische Reformator Johannes Calvin (1509 – 1564) betrachtet die Natur als dem Glauben dargebotenes Schauspiel; er spricht von einem „Theater von Gottes Herrlichkeit“. In dieser Hinsicht spielt der Psalter (den Calvin mit einem Spiegel der Seele vergleicht) eine herausragende Rolle. Indem sie Gott loben und bitten, schildern viele Psalmen die Wunder der geschaffenen Welt, den Weinberg Israels, den kraftstrotzenden Baum, Pflanzen in ihrer Vielfalt, Gärten, Landschaften und Jahreszeiten…

Tag für Tag geben die 150 Psalmen in der gereimten und vertonten Version des Hugenottenpsalters reformierter Frömmigkeit Nahrung. Man sang diese Psalmen unterwegs und bei der Arbeit, beim Wäschewaschen, im Gefängnis und wenn das letzte Stündlein nahte.

… Du gibst dem regenfeuchten Lande Kraft,
füllst seine Früchte mit Geschmack und Saft.
Aus Saat wächst Brot. Der Wein wächst aus den Reben.
Des Menschen Herz wird stark und liebt das Leben.
- Auszug aus Psalm 104, Strophe 2 –

O Gott, dein Brunn ist reich, er quillet
und tränket uns das Land,
dass unsre Saat vom Segen schwillet
und wächst durch deine Hand.
Wenn du des Ackers Furchen tränkest
und Regen früh und spat
in die erweichten Schollen senkest,
gedeihet unsre Saat.
- Psalm 65, Strophe 5 –

Sendt er sein Wort herab auf Erden,
wie schnell muss es vollzogen werden!
Er ruft den Winter, seht ihn eilen,
uns seine Gaben mitzuteilen.
Er bringt den Schnee wie Flocken Wolle,
dass er die Erde wärmen solle.
Er ist’s, der unser Aug erfreuet,
wenn er den Reif wie Asche streuet.
-       Psalm 147, Strophe 8 -

Der jardin refuge (Refugiumsgarten) von
Bernard Palissy (1510 – 1590)

Palissy ist hauptsächlich als königlicher Keramiker bekannt mit einem Profil als „verrückter Professor“. Aber dieser geniale Künstler (weitgehend Autodidakt) war auch ein begabter Schriftsteller, ein Prediger in der Reformierten Kirche und ein Theoretiker der Landwirtschaft, des Garten-baus und der Gartenarchitektur.

In seiner Abhandlung „Recette véritable“ (1563) beschreibt Palissy einen imaginären Garten, der an das Eden der Schöpfung erinnern soll: „Ich will einen Garten gestalten, der schöner sei, als es je einen gab auf der Welt – bis auf das irdische Paradies.“ Mit seinem Grundplan als „quadrature“ repräsentiert der Garten nach einem konventio-nellen Schema die vier Paradiesesströme (vgl. 1. Mose 2,10ff.). Er ist mit keramikverzierten Grotten versehen mit Bibelzitaten aus Weisheitsbüchern (nach Frank Lestringant „ist die Grotte auch ein offensichtlicher mütterlich-schöpferischer Ort – eine Matrix, in der man nachforschen kann über die Herkunft der Materie, des Unbelebten und des Belebten, über den Ursprung des Lebens, so wie es Leonardo da Vinci und andere gleichfalls tun).

Palissy denkt sich seinen Garten als Refugium für verfolgte reformierte Christen; diese Vision spiegelt die Religionskriege wider und die Schrecken, die Palissy selbst erlebt hat. Wegen seines protestantischen Glaubens mehrfach eingekerkert stirbt er schließlich im Gefängnis der Bastille an Hunger und mangelnder ärztlicher Betreuung.

Palissy erzählt, er habe die Idee zu seinem Garten gehabt, als er einen Chor von jungen Mädchen am Ufer der Charente Hugenottenpsalmen singen hörte… Psalm 104 mit seiner Verherrlichung der Wunder des Schöpfers ist die wichtigste theologische Inspiration für Palissys utopischen Garten.

Gewisse Indizien im Park des Schlosses von Troissereux haben zu der (umstrittenen) Annahme geführt, der Garten Palissys sei auf protestantischen Adelssitzen der Gegend von Beauvais auch ausgeführt worden.

Die Hugenotten und die Pflanzenproduktion

Die Hugenotten und der Gemüsebau

In vielen Ländern wird überliefert, dass reformierte Glaubensflüchtlinge aus Frankreich die Gemüsegärten – und damit die Küche – bereichert haben.

In Genf (Plainpalais) haben sie aus Südfrankreich den artischockenähnlichen Cardy und den Stielmangold mit-gebracht. In Großbritanien erinnert die Bohnensorte „Refugee“ an sie. Dänemark verdankt der Kolonie Fredericia den Anbau der Kartoffel.

In Brandenburg-Preußen führten sie „Blumenkohl, Spargel, Artischocken“ ein „und vor allem den Salat; schon sein deutscher Name bezeugt die französische Herkunft“ (Charles Weiss, 1853).

Dass man Bohnen auch grün verzehren kann, brachten sie den Einheimischen bei – und wurden prompt als „Bohnen-fresser“ verspottet.

Ihre Melonenkultur unter Glas bewunderte man. Das Prinzip findet sich schon bei Olivier de Serres (1600), der für kalte Gegenden empfiehlt, mit „einen Fuß breiten“ Glasglocken die Pflanzgrube mit den Melonensamen abzudecken…

Savez-vous planter des choux? („Könnt ihr Kohl pflanzen?“) ist einer der volkstümlichsten französischen Kinderreime (entstanden vor dem 17. Jahrhundert). Die ganz Kleinen erlernen damit die Körperteile – und werden für das Gärtnern sensibilisiert. Die in Afrika geborene französische reformierte Pfarrerstochter Nathalie Dieterlé hat daraus ein Kinderbuch mit afrikanischen Tieren gemacht (die alle „auf ihre Art“ Kohl pflanzen). Garten, Exotik, Erziehung und Bildung – eine hugenottische Mischung.

Obst, Wein und Seide…

Der Hugenotte Jean (Johann) Bauhin (1560 – 1612) ist einer der ersten Obstkundler überhaupt. Einige der von ihm in der (ostfranzösischen) Grafschaft Mömpelgard beschriebenen Sorten gibt es immer noch, z. B. den Fünfkantapfel „Api étoilé“. In der gleichen, protestantisch geprägten Gegend setzt sich seit 30 Jahren der Verein „Les Croqueurs de pommes“ („Die Apfelbeißer“) für die Erhaltung historischer Obstsorten ein.

In England und in Preußen schreibt man den Hugenotten einige alte Obstsorten zu, aber die Angaben sind nicht immer sehr genau. Von einem Hugenottennachfahren durch Zufallsauslese gewonnen und dann vermehrt wurde die Werderaner Kirschsorte „Kassins Frühe“.

Verbürgt ist, dass der südafrikanische Wein auf die Hugenot-ten des späten 17. Jahrhunderts zurückgeht. Vergleichbare Bemühungen der Hugenotten in Amerika (z.B. Florida) waren weniger von Erfolg gekrönt.

Die Anpflanzung der (weißen und schwarzen) Maulbeere zur Seidenraupenzucht wurde von Olivier de Serres (1600) propagiert, der König Heinrich IV. davon zu überzeugen vermochte. In den Ländern des Refuge sind alte Maulbeerbäume späte Zeugen dieser bis ins 19. Jahrhundert bedeutenden Produktion (Fotos: Schwarzer Maulbeerbaum im Hof des ehemaligen „Französischen Waisenhauses“ in Berlin, Friedrichstraße 129).

Landwirtschaft, Botanik, Gartenarchitektur: die Gründer (16. – 17. Jahrhundert)

Olivier de Serres (1539 – 1619)

Olivier de Serres gilt als « Vater der französischen Agronomie ». Als protestantischer Edelmann war er ein Kind des Vivarais im heutigen Departement Ardèche. Er verfasste das erste große Handbuch der Landwirtschaft mit dem Titel „Théâtre d’agriculture et mesnage des champs“ (1600). Dieses tausendseitige monumentale Werk vereint Gelehrsamkeit und praktischen Sinn, solide Berufserfahrung und experimentelle Innovation und nicht zuletzt den Glauben an die göttliche Fürsorge. Auf die ländlichen Gegenden Frankreichs hat es zu seiner Zeit einen erheblichen Einfluss gehabt.

Man findet darin auch Grundrisse französischer Gärten, manche davon als Hommage an Heinrich IV. mit der Devise „Duo proteget unus“ – Einer wird beide schützen (das heißt: die katholische und die protestantische Partei); eine Anspielung an das Edikt von Nantes von 1598. Übrigens ist Serres der Erfinder der „Kräuterspirale“ (montagnette), die es ermöglicht, den unterschiedlichen Ansprüchen von Heilkräutern gerecht zu werden.

Auch heute ist das Hofgut „Domaine du Pradel“, der Wohn- und Arbeitsort von Olivier de Serres, eine landwirtschaftliche Lehr- und Forschungseinrichtung.

Charles de l’Ecluse (Carolus Clusius)

Nicht ohne Grund wurde Charles de l’Ecluse (1526 – 1609) von seinen Zeitgenossen « Fürst der Pflanzenbeschreibung » und « Vater der Blumen » genannt. Er ist der bedeutendste Botaniker der Renaissance: seine ausgedehnten Kenntnisse auch in Bereichen, die vor ihm wenig behandelt wurden (Pilzkunde), seine vertiefenden Erkundungen etwa der Alpenflora, sein weites Netz internationaler Kontakte und der systematische Geist seiner Abhandlungen rechtfertigen diese Einschätzung.

Clusius stammte aus Flandern, geboren ist er in Arras. 1573 wurde ihm die ehrenvolle Aufsicht über die kaiserlichen Gärten in Wien übertragen, doch 1588 musste er als glaubenstreuer Protestant den habsburgischen Hof verlassen. Nach einer Zwischenstation in Frankfurt/Main ließ er sich in Leiden in den Niederlanden nieder. Leiden verdankt ihm seinen renommierten Botanischen Garten, seinerzeit der bedeutendste nördlich der Alpen.

„Seine Anpflanzungen von Blumenzwiebeln und –knollen aus dem Mittleren Orient – Hyazinthen, Iris, Lilien, Kaiserkronen, Gladiolen… und vor allem Tulpen – haben den Gärten Nordeuropas eine völlig neue Gestalt gegeben…“ (G. van Zuylen). Abgesehen von Zwiebelpflanzen hat Clusius auch viele andere Kulturpflanzen in Mitteleuropa eingeführt, darunter die Kartoffel, die Rosskastanie und den Kirschlorbeer.

Die hugenottischen Gartenarchitekten

Einst gab es einen « Heidelberger Garten », der – in der calvinistischen Welt – genau so berühmt war wie der « Heidelberger Katechismus ». Damals wollte die kur-pfälzische Hauptstadt gar Wien den Rang ablaufen und sah sich schon als Residenz eines künftigen calvinistischen Kaisers… Der normannische Ingenieur und Architekt Salomon de Caus (1576 – 1626) hatte mit dem Hortus palatinus (1615-20) sein Meisterwerk geschaffen und war nicht davor zurückgeschreckt, mit herrlichen Terrassen eine Bresche in die Festungsanlagen des Schlosses zu schlagen… Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) hat nichts übrig gelassen von diesem Wunderwerk, das  die katholische Partei der Habsburger als unerträgliches Sinnbild der Anmaßung empfand…

Darf man sich damit trösten, dass selbst die Gärten von Versailles nicht existieren würden ohne eine protestantische Tradition, die ihnen vorausgeht und die auf sie hinwirkt? Jacques Androuët du Cerceau (um 1515 – 1586; die Tuilerien), Claude Mollet (um 1550 – um 1630; Gärten von Saint-Germain-en-Laye) und eben Salomon de Caus sind mit ihren jeweiligen Nachkommen große Gartenarchitekten und französische Reformierte. De Caus begeisterte sich übrigens für Wasserspiele und experimentierte mit der Antriebskraft von Wasserdampf; die Dampfmaschine seines Glaubensgenos-sen Denis Papin (1647 – 1712) deutet sich da schon an.


Die wissenschaftliche Botanik des 17., 18. und 19. Jahrhunderts: Beispiele aus Frankreich, der Schweiz und Holland

Johann Bauhin (1541 – 1612) | Caspar Bauhin (1560 – 1624)

Die Brüder Bauhin waren Söhne eines Basler Glaubensflüchtlings, des früheren Leibarztes von Margarete von Navarra. Beide gelten als bedeutende Botaniker, Caspar noch mehr als Johann. Caspar Bauhin schuf den Botanischen Garten in Basel, er erneuerte die botanische Systematik und Nomenklatur, beschrieb ungefähr 6000 Arten und wird manchmal als „Linné des 17. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Bei Caspar Bauhin findet man die erste genaue botanische Beschreibung der Kartoffel; er nennt sie „Solanum tuberosum“ und dieser wissenschaftliche Name ist ihr geblieben.

Pierre Magnol

Die Magnolie ist viel bekannter als ihr Namensgeber, der Arzt und Direktor des Botanischen Gartens von Montpellier, Pierre Magnol (1638 – 1715).

Seine Lebenszeit fällt in die schwierigste Epoche des französischen Protestantismus. 1685 hob Ludwig XIV. das Edikt von Nantes auf und mit ihm die Rechtsgrundlage  der reformierten Kirchen in Frankreich. Sollte Magnol mit seiner Familie im protestantischen Ausland Zuflucht suchen? Oder sich zum Katholizismus bekehren – ohne wirkliche Überzeugung, aber nach außen loyal? Zu diesem Schritt, der ihm schwer fiel,  bewog ihn sein Freund und Botanikerkollege Joseph Pitton de Tournefort (1656 – 1708), ein frommer und wohlmeinender Katholik.

So ist Magnol ein Beispiel für das schwierige Gemisch aus echter oder vorgetäuschter Anpassung, innerer Emigration, bisweilen offenem Widerstand und blutiger Repression, mit dem die große Mehrheit der französischen Reformierten im Lande überlebte – bis zum Toleranzedikt von 1787.

Magnol war ein origineller Kopf. Er strebte nach einem natürlichen Verwandschaftssystem des Pflanzenreichs, das er sich wohl als Ausdruck von Abstammungsverhältnissen vorstellte. Damit ist Evolution angedacht, ohne noch klar ausgesprochen zu werden. Als erster beschrieb er Pflanzenfamilien (1689). Er war auch ein aufmerksamer Beobachter und Sammler, Verfasser einer Lokalflora von Montpellier (1686), in der er so vollständig wie möglich die Arten seiner Region erfasste.

Mit der Magnolia (die er nie gesehen hat) ehrte ihn 1703 im fernen Amerika Charles Plumier, Franzose wie er – und Ordensmann.

Albrecht von Haller (1708 – 1777)

Als Berner war Haller deutschsprachig aufgewachsen, aber auch französisch gebildet. Als Universalgelehrter prägte er die junge Universität Göttingen. Er begründete dort in der gleichen Straße den Botanischen Garten und die Reformierte Gemeinde. Man verdankt ihm eine umfassende Schweizer Flora, aber auch die geistige Revolution, die aus der schrecklichen Alpenwüste das erhabene Hochgebirge machte (episches Gedicht „Die Alpen“).

Genf und die Familie de Candolle

Etwa ab dem Jahr 1800 wird Genf mehr und mehr zu einer regelrechten Welthauptstadt der Botanik. Mehrere reformierte Theologen und Pfarrer gehören zu ihren Vertretern: Charles Bonnet (1720 – 1793), Jean Senebier (1742 – 1809; die Photosynthese), Jean-Pierre Etienne Vaucher (1763 – 1841; die Algen, cf. die Gattung Vaucheria), Jacques Denis Choisy (1799 – 1859; die Mexikanische Orangenblume Choisya ternata kann als ein Symbol dieser Epoche und dieses Milieus gelten). Zwei Generationen der Familie de Saussure steuern ihre Beiträge bei, der Alpenforscher Horace-Bénédict de Saussure (1740 – 1799) und der Physiologe Nicolas Théodore de Saussure (1767 – 1845). Auch Edmond Boissier (1810 – 1885) gehört dazu und sein Schwiegersohn William Barbey (1842 – 1914)…

An allererster Stelle aber ist die Dynastie De Candolle zu erwähnen, die in der Abfolge von vier Generationen die fortschrittliche Genfer Botanik des 19. Jahrhunderts verkörpert. Die Familie stammt von Glaubensflüchtlingen aus der Provence ab. Augustin Pyramus de Candolle (1778 – 1841, Foto) und sein Sohn Alphonse (1806 – 1893) sind große Systematiker und tragen eine solche Menge an Belegen zusammen, dass das Genfer Herbar bis heute eines der umfangreichsten der Welt ist.

Ein bezeichnender Zufall will, dass die berühmte „Mauer der Reformatoren“ dort errichtet wurde, wo sich früher der Genfer Botanische Garten befand!

Edmond Boissier (1810 – 1885)

Edmond Boissier aus Genf stammt von Glaubensflüchtlingen aus dem Languedoc ab. Die Familie Boissier war in der Reformierten Kirche und bei der Verbreitung der Bibel sehr engagiert. In dem immensen „Herbar Boissier“ gibt es 6000 Pflanzenarten, die dieser bescheidene und großzügige Gelehrte beschrieben hat.

Eine davon erzählt seine Liebesgeschichte – und die ist schön und traurig. Eine Frühlingsblume unserer Gärten, der Schneeglanz Chionodoxa luciliae, verewigt den Namen von Boissiers junger Frau Lucile Buttini. Sie war gerade 20 Jahre alt, als ihr Mann 1842 an der Westküste der Türkei die Pflanze entdeckte. Der verliebte Botaniker sah in diesen Blumen die blauen Augen seiner Angebeteten. Nur sieben Jahre später starb Lucile an Typhus. Aber jedes Jahr im März zwinkert sie all denen zu, die die Geschichte von „Luciles Schneeglanz“ kennen…

Das Kap-Paradies und die drei Commelins…

Das damals niederländische Südafrika versetzte die Botaniker des 17. Jahrhunderts in solches Erstaunen, dass sie an einen versprengten Rest des irdischen Paradieses glaubten (so der Hallenser Organistensohn Paul Hermann). Einige wenige Hugenotten ließen sich dort nieder und entwickelten den Weinbau. Zehntausende Hugenotten lebten in Holland selbst, einem der wichtigsten Länder des Refuge. Der Name des Amsterdamer Stadtviertels Jordaan soll von jardin abgeleitet sein: Réfugiés hatten dort ihre Gärten…

Unter den holländischen hugenottischen Botanikern  nimmt die Familie Commelin die erste Stelle ein. Jan Commelin (1629 – 1692) und sein Neffe Caspar (1667 – 1731) beschrieben unter anderem mehrere der südafrikanischen Pelargonium-Arten, aus deren Kreuzungen unsere heutigen Geranien hervorgingen.

Es gab noch einen dritten Commelin, der so jung starb, dass er nichts Bedeutendes zur Botanik beitragen konnte. Nach den drei Commelins ist die Gattung Commelina benannt – mit drei Blütenblättern, zwei großen und einem unscheinbaren kleinen…


Pflanzenkunde als Populärwissenschaft

Antoine du Pinet (ca. 1510 – 1584)

Pinet stammte aus der Franche-Comté (Baume-les-Dames) und war mit Calvin befreundet. Als protestantischer Theologe und Schriftsteller verfasste er auch eine der ersten Taschenfloren. Seine „Historia plantarum“ von 1561 ist ein Auszug aus Mattioli und anderen großen Botanikern dieser Zeit. „Zusammengestoppelt“, allgemeinverständlich, mehr-sprachig, für das Gelände bestimmt, eine Art „Kosmos-Führer“ des 16. Jahrhunderts…

Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778)

Während seines Aufenthaltes in Môtiers (Neuenburg) und auf der Petersinsel (Bieler See) begann Rousseau, sich für die Botanik zu interessieren und befasste sich ernsthaft damit. Er las Linné und kann auf dem Gebiet der Pflanzenkunde als durchaus kompetenter Amateur gelten.

Seine „Botanischen Briefe an Frau Delessert“ (1771-73) sind für die Erziehung eines kleinen Mädchens bestimmt; der Botanik wird zugetraut, sie dämpfe die Lust an frivolen Ver-gnügungen. Der Zweck ist also pädagogischer Natur. Der Bruder der Kleinen, der spätere Bankier und Politiker Benjamin Delessert wurde übrigens ein leidenschaftlicher Förderer der Pflanzenkunde.


Die Hugenotten und unsere Zimmerpflanzen

 Der Weihnachtsstern

Zum hugenottischen Refuge in Charleston (South Carolina) gehörte die Familie Poinset. Einer ihrer Nachfahren, Joel Roberts Poinsett (1779 – 1851) entdeckte 1825 in Mexiko den Weihnachtsstern für die moderne Botanik – und für unzählige Weihnachtsdekorationen in aller Welt.

Was die Azteken „cuetlaxochitl“ genannt hatten, wurde nun als „Poinsettia“ beschrieben. Diesen Namen hat der Weihnachtsstern im Englischen und Französischen behalten. Wissenschaftlich heißt er Euphorbia pulcherrima ist eine Wolfsmilchart.

Joel Roberts Poinsett war nur in seiner Freizeit Botaniker; als Diplomat, Offizier und Politiker prägte er die Geschichte der Vereinigten Staaten im frühen 19. Jahrhundert mit, insbesondere die Beziehungen zu den gerade unabhängig gewordenen Staaten Lateinamerikas.

Der Todestag Poinsetts, der 12. Dezember, ist heute in den USA der National Poinsettia Day.

Amerikaner sind sehr stolz darauf, neben dem europäischen Weihnachtsbaum ein eigenes, urwüchsig amerikanisches Weihnachtssymbol von weltweiter Verbreitung zu besitzen.

Weihnachtskaktus und Schwiegermuttersessel…

Großbürgerliche Industrielle hugenottischer Prägung legten im 19. Jahrhundert umfangreiche Sammlungen exotischer Pflanzen an (z.B. Godeffroy in Hamburg, Ravené in Berlin, Koechlin, Mieg, Schlumberger, Zuber und andere in Mulhouse, dem „französischen Manchester“).

Als Kakteensammler berühmt waren Frédéric Schlumberger in Rouen und Hermann Gruson in Magdeburg (Wallonische Ge-meinde). Der Weihnachtskaktus Schlumbergera truncata und der Goldkugelkaktus oder „Schwiegermuttersessel“ Echino-cactus grusonii sind ihnen gewidmet. Die Gruson’schen Gewächshäuser sind auch heute noch zu besichtigen.

Das Usambaraveilchen

Als « Veilchenblütige Saintpaulie » (Saintpaulia ionantha) gehört das Usambaraveilchen zur deutschen Kolonialge-schichte und… zur preußisch-hugenottischen Kulturgeschichte. Walter v. Saint-Paul Illaire (1860 – 1916) war Bezirks-hauptmann der Tanga-Provinz in Deutsch-Ostafrika (heute Tansania). Er fand das Pflänzchen 1892 im Urwaldschatten der Usambaraberge. Von dort kam es nach Berlin und Hannover (wo der Vater des Entdeckers, der bekannte Baumkundler Ulrich v. Saint-Paul Illaire, wirkte). Heute ist das „Afrikaveilchen“ in unzähligen Formen und Farben die verbreitetste Zimmerpflanze überhaupt.


Das preußische Refuge und die heutige französisch-reformierte Präsenz in Berlin und Brandenburg

Blumen und Melonen in Berlin…

Am damaligen südlichen Stadtrand von Berlin breiteten sich im 18. Jahrhundert hugenottische Gärtnereien aus. Mathieu und Bouché sind die berühmtesten dieser weitverzweigten Gärtnerdynastien. Bouché betrieb Hyazinthenzucht (mit der bekannten Sorte „La jolie blanche“), bot Anfang des 19. Jahrhunderts Hunderte von Aurikelsorten an, später vor allem aus Frankreich importierte Rosen. Lange waren die Melonen unter Glas eine Sensation, im Kaiserreich genoss man dann Kaffeehausatmosphäre in den Bouché’schen Gewächshäusern.

Die Blumenstraße in der Stralauer Vorstadt erinnert noch an diese Tradition. Verschwunden ist allerdings die im 2. Weltkrieg zerstörte „Melonenkirche“, die französisch-reformierte Kapelle in der Kommandantenstraße. Immer noch zirkulieren Anekdoten über die hugenottischen Gärtner: die von den Kirschen von Sanssouci und dem Gärtner Sarre und die vom Gärtner Razé, der angeblich nachts Magie trieb. Woher hätten sonst die buntgescheckten und gefüllten Blumen herkommen sollen, die er den erstaunten Berlinern anbot?

Der Einfluss des preußischen Refuge auf die Pflanzennamen

Die hugenottischen Gärtner haben in die Berliner Umgangssprache französische Pflanzennamen eingebracht, die vor hundert Jahren noch in Gebrauch waren. Nach den Angaben von Krausch hieß das Buntgras „Ruban de bergère“ (Schäferinnenband) und die Ringelblume „Kockderosch“ (= Coq de roche/Felsenhahn? Die orangenen Blüten erinnern an den gleichnamigen Vogel). Auch die französische Fachsprache der Tabakpflanzer in der Uckermark hat auf die deutsche Umgebung abgefärbt.

Neuchâtel

Neuchâtel (Neuenburg) war seit 1707 ein französischsprachiges Territorium des Königs von Preußen in der Schweiz… mit einer reformierten Landeskirche. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich dort ein kreatives Milieu von Naturforschern mit Verbindungen zum reformierten Protestantismus und… nach Berlin.

Bestes Beispiel dafür sind die Brüder Charles-Henri Godet (1797 – 1879) und Frédéric Godet (1812 – 1900), Botaniker der eine, preußischer Prinzenerzieher und später Theologieprofessor der andere. Nach Charles-Henri Godet ist die Godetie oder „Sommerazalee“, eine beliebte einjährige Gartenblume, benannt.

Die Weidenblättrige Sonnenblume (Helianthus salicifolius) brachte der junge Albert de Pourtalès mit seinem früheren Erzieher, dem aus dem Londoner Refuge stammenden Charles Joseph La Trobe, 1834 aus dem westlichen Nordamerika mit.

Alexander von Humboldt

Hugenotte war Alexander von Humboldt (1769 – 1859) durch seine Mutter, Marie Elisabeth Colomb. Entscheidende Impulse für seine wissenschaftliche Karriere als Forscher und Weltreisender erhielt er in Paris; viele seiner Werke schrieb er auf Französisch.

Humboldts Wildtomate, Solanum humboldtii, ist ein Beispiel für 3000  Pflanzen Lateinamerikas, die er entdeckte und beschrieb.

Die eigentliche Leistung Humboldts ist die Begründung der Pflanzengeographie mit Klimazonen und Höhenstufen und mit Betrachtungen zu Vegetationstypen und Umweltfaktoren. Er ist damit einer der bedeutendsten Vorläufer heutiger Ökologie.

Adelbert von Chamisso (1781 – 1831)

Hugenotte war er nicht. Aber er stand den Berliner Refugiés so nahe, dass sie ihn fast als einen der ihren betrachteten. Als Brückenmensch wirkte er und empfand sich auch so: Franzose und Deutscher, Katholik und Protestant, Dichter und Naturforscher, speziell Botaniker (unter Genfer Einfluss!). Wer Wasserpflanzen studiert, stößt auf den Namen Chamisso; das Haar-Laichkraut zum Beispiel hat den von ihm verliehenen Namen Potamogeton trichoides bis heute behalten.

Ebenso steht es mit der Flora der amerikanischen Westküste. Von dort hat sich der „Kalifornische Mohn“ in unsere Gärten hinein verbreitet. Chamisso hat ihn entdeckt und nach seinem Freund und Schiffsarzt der „Rurick-Expedition“ Eschscholzia californica genannt.

So populär ist dieses knallorangene Blühwunder, dass jedes Jahr am 6. April in den USA der „National California Poppy Day“ gefeiert wird.

Ein Interkultureller Garten

Seit mehr als 10 Jahren ist unser Garten in der « Straße des Friedens » in Langerwisch ein Ort der Begegnung in französischer Sprache, der Afrikaner/innen und Europä-er/innen aus verschiedenen Ländern bei der Arbeit und beim Feiern zusammenbringt. In bescheidenem Umfang, aber durchaus real ist er ein Garten der Begegnung der Kulturen. Deshalb stehen wir in Verbindung mit der Bewegung der „Interkulturellen Gärten“, die sich zum Ziel gesetzt hat, Gärten als Orte der Integration zu gestalten.

Jardin du Refuge/Hugenottengarten in Langerwisch:

Die Vielfalt bewahren

Wir kooperieren mit Organisationen, die sich um die Erhaltung der pflanzlichen Biodiversität bemühen, insbesondere mit VERN in Greiffenberg/Brandenburg und mit dem Conservatoire botanique de Franche-Comté in Frank-reich. Mehrere Botanische Gärten haben sich bereit erklärt, uns zu unterstützen (zur Zeit Potsdam, Neuchâtel und Bern).

Ein Beispiel: von VERN erhielten wir die historische (ungefüllte) Federnelke (Dianthus plumarius). Wir vermehren sie und pflanzen sie als Wegbegrenzung – wie in den französischen Gärten des 17. Jahrhunderts.

In Gemeinschaft mit den französisch-reformierten Kirchen

Die französisch-reformierten Gemeinden von Berlin-Brandenburg sind im Laufe des 19. Jahrhunderts zur deutschen Sprache übergegangen; ihrer kulturellen Herkunft und ihrer konfessionellen Eigenart blieben sie jedoch sehr verbunden. In den 1990er Jahren haben sie erneut französischsprachige Protestanten aufgenommen, die sich im Wesentlichen in der Französischsprachigen protestantischen Gemeinde innerhalb der Berliner „Französischen Kirche“ (Hugenottengemeinde) zusammengeschlossen haben. Sieben Jahre lang (von 1994 bis 2001) diente der Garten in Langerwisch als Pfarrgarten (und gelegentlich Gemeindegarten) der „Communauté francophone“. Französisch-reformierte Christen aus Berlin und Potsdam, aus Frankreich und der Schweiz, aus verschiedenen Ländern Europas und Afrikas haben die Geschichte dieses Gartens mitgeprägt.


Exotische Horizonte – die hugenottischen Entdeckungsreisenden

Maria Sibylla Merian

Anna Maria Sibylla Merian (1647 – 1717) wuchs in Frankfurt/Main als Tochter eines berühmten Kupferstechers aus Basler Patrizierfamilie auf. Durch ihren Großvater, den Verleger und Drucker Theodor de Bry, und ihren Stiefvater, den Blumenmaler Jakob Morell, gehört sie zum französisch-reformierten Milieu des wallonischen Refuge. Sie selbst hat sich zeitweilig der calvinistisch-pietistischen Gruppe der Labadisten angschlossen. Nach einem bewegten Leben (mit Forschungsreise nach Surinam) starb sie in Amsterdam.

Bekannt ist sie für die (meistens) detailgetreue Darstellung nicht nur von Schmetterlingen, sondern auch von Raupen und Puppen und anderen „hässlichen“ Insekten. Ihre Pflanzenbilder bekommen durch diese tierischen Begleiter einen besonderen Charme von freier Natur. Viele Pflanzennamen aus Surinam übernahm sie von den Indianern.

Manche ihrer Abbildungen gelten als Typus einer Pflanzenart (d. h. als Urbeleg für die wissenschaftlich gültige Beschreibung). Ein Beispiel ist die hier gezeigte Süßkartoffel Manihot esculenta.

Provisorischer Schluss…

Die hugenottischen Entdeckungsreisenden sind für den Augenblick nur mit einem einzigen Beispiel vertreten – aber was für ein Beispiel! Die außergewöhnliche Persönlichkeit von Maria Sibylla Merian und ihre wagemutige Reise nach Surinam (in Begleitung ihrer Tochter…) sind es wert, als Modellfall für eine ganze Reihe von großen hugenottischen Reisenden und Pflanzensammlern zu dienen. Sie ist schon in guter Gesellschaft: Alexander von Humboldt und Edmond Boissier haben weite Gegenden des Erdballs durchwandert…

Andere wollen wir demnächst vorstellen:
- Jean de Léry (1534 – 1613), ein Pionier literarischer Reiseberichte mit seiner „Histoire d’un voyage faict en la terre du Bresil autrement dite Amerique“ (1578);
- Elisée Reclus (1830 – 1905), Pfarrerssohn, Geograph und Anarchist, mit seiner « Géographie universelle“, die auf ausgedehnten Erkundungen in den verschiedensten Gegenden der Erde beruht;
- Pierre Loti (mit bürgerlichem Namen Julien Viaud; 1850 – 1923), Reiseschriftsteller, großer Südseeromantiker und Freund türkischer Kultur (eine herrliche Aussichtsterrasse in Istanbul trägt seinen Namen), der voller Begeisterung von persischen Rosen spricht: „… Rosen, riesige Ballen von Rosen“ (in unserem Garten legt die „Rose von Rescht“ von der persischen Rosenkultur Zeugnis ab);
- Théodore Monod (1902 – 2000), Pfarrerssohn und treues Gemeindeglied der reformierten Kirche des „Oratoire du Louvre“ in Paris, Anhänger von Albert Schweitzer, Botaniker, Zoologe, Ethnologe, einer der letzten universalen Naturkundler mit seiner Leidenschaft für die Wüste und seinem humanistischen Einsatz für die Ehrfurcht vor dem Leben in jeder Form.





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